Europameisterschaften und Sport
Wenn im Jahr 2024 über Europameisterschaften gesprochen wird, denken die meisten Menschen vermutlich sofort an den allseits präsenten Fußball und die EURO 2024 in Deutschland.
Das ist grundsätzlich nicht falsch, greift jedoch zu kurz. Allein in diesem Jahr fanden rund 53 Europameisterschaften statt – von Badminton über Fechten und Handball bis hin zu Schwimmen und Wasserball.
Viele dieser Veranstaltungen blieben weitgehend unbeachtet von Publikum, Medien und der breiten Öffentlichkeit. Einige jedoch, insbesondere bei olympischen Sportarten, stießen auf ein größeres Interesse. Dies gilt vor allem für Sportarten, in denen die Europameisterschaften nicht nur der Standortbestimmung dienten, sondern auch als wichtige Qualifikationsmöglichkeit für die ebenfalls 2024 ausgetragenen Olympischen Spiele in Paris.
Seit wann gibt es schon Europameisterschaften und wie viele?
Bei Wikipedia ist die erste Europameisterschaft für das Jahr 1891 vermerkt. Damals maßen sich im Januar in Hamburg die Eiskunstläufer des deutschen und österreichischen Eislaufverbandes.
Ab 1893 kam mit dem Rudern eine weitere Sportart hinzu. Bis 1902 dauerte es, ehe die ersten – allerdings inoffiziellen – Europameisterschaften der Ringer ausgetragen wurden. Diese fanden noch ohne Gewichtsklassen statt.
Vermutlich inspiriert durch den Eiskunstlauf, fanden im Jahr 1910 die ersten Europameisterschaften im Eishockey statt. Der Europameister? Großbritannien, allerdings ohne Teilnahme der heute dominierenden Nationen aus Skandinavien.
Kurz vorm dem Ersten Weltkrieg traten die Rennrodler auf den Plan, für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich mit Frauen- und Männerwettbewerbe und mit aus heutiger Sicht fast 60.000 Zuschauern am ersten von zwei Wettkampftagen.
In den folgenden Jahren erweiterte sich das Spektrum der Sportarten stetig: 1924 kamen der Motorradsport sowie Schwimmen und Wasserball hinzu, 1925 folgten Boxen und Cadre (eine Billard-Disziplin). Bis zum Zweiten Weltkrieg fanden Europameisterschaften in insgesamt zehn Sportarten (1935) und sechs Sportarten (1936) statt.
1946 fanden Wettkämpfe in 12 verschiedenen Disziplinen statt, es dauerte bis zum Jahr 1960, als der Fußball die Europameisterschaftsbühne betrat, viel später als Basket- oder Volleyball. Erster Europameister wurde die damalige Sowjetunion durch ein 2:1 im Endspiel gegen das ehemalige Jugoslawien. Es nahmen 17 Mannschaften teil, große Fußballnationen wie England, Italien und auch Deutschland fehlten, u.a. wollte der damalige Bundestrainer Sepp Herberg keine Zeit zwischen den WM-Turnieren verschwenden.
Der Aufwärtstrend setzte sich fort: 1970 gab es bereits 21 verschiedene Europameisterschaften, 1980 waren es 25, 1990 stieg die Zahl auf 31, und im Jahr 2000 sowie 2010 fanden Wettbewerbe in 51 Disziplinen statt.
Arten von Europameisterschaften
Heute werden Europameisterschaften in mehr als 53 Sparten ausgetragen, für Männer und Frauen, sportartspezifisch aber auch nochmal untergliedert in Altersgruppen wie beim Fußball mit U17 oder U19 oder in Teildisziplinen wie beim Radsport mit 11 verschiedenen Varianten wie Bahn, Straße, Mountainbike oder Radball.
Hinzu kommen die Europameisterschaften für Sportlerinnen und Sportler aus dem Bereich Para- oder Behindertensport.
Jährlich findet somit eine Vielzahl von Veranstaltungen statt, die um die Aufmerksamkeit des Publikums konkurrieren müssen. Dabei umfasst das Publikum nicht nur die Zuschauer vor Ort, sondern auch die breite Öffentlichkeit, Medien, Sponsoren und Unterstützer.
Diese notwendigen Ressourcen stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung, somit konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf die erfolgreichen, trendigen und zuschauerstarken Sportarten. und dabei immer wieder auf den Fußball.
Meisterschaften, die es nicht mehr gibt
Ein prominentes Beispiel ist das Herren-Eishockey. Die erste Mannschaftssportart, die europäische Wettbewerbe austrug, verabschiedete sich bereits 1932 von einem eigenständigen Wettbewerb und vergab diesen Titel bis 1991 im Rahmen der Weltmeisterschaften.
Auch im Eishockey der Damen (ab 1996) und Junioren (ab 1998) wurden die eigenständigen Europameisterschaften eingestellt.
Auch die Grand-Prix-Europameisterschaft findet nicht mehr statt. Hier maßen sich Rennfahrer in ihren Automobilen auf den z.T. heute noch genutzten bedeutenden Rennstrecken wie Monaco (für Frankreich), Monza (für Italien) oder dem Nürburgring (Deutschland).
Nur von 1976 bis 1996 kürten die Grasski-Verbände in Europa die Damen- und Herreneuropameister. Seit 1997 finden die Wettbewerbe nur noch als Weltmeisterschaft statt.
Und sonst so?
Viele kuriose Wettbewerber stammen aus Finnland, wo manche Veranstaltungen sogar direkt als Weltmeisterschaften ausgerufen werden. Beispiele hierfür sind der Handyweitwurf, der Gummistiefelweitwurf, das Frauentragen, das Steckenpferdreiten oder Matschfußball.
Skurrile „Sportarten“ finden wir natürlich auch in Großbritannien. In Cooper’s Hill rollt seit mehr als 200 Jahren ein Käselaib einen steilen Hügel hinunter, Läufer und Läuferinnen hinterher. Ebenso außergewöhnlich ist das Schlammtauchen.
Dann gibt es noch die Splashdiver, die die schönste Arschbombe im Schwimmbecken platzieren wollen. Oder Menschen, die sich auf Skateboards, in Mülltonnen oder mit Bobbycars Abhänge oder Straßen hinunterstürzen.
Daneben existieren sehr traditionsreiche Veranstaltungen wie das Calcio Storico Fiorentino, eine historische Mischung aus Fußball, Rugby und Wrestling, bei der 27 Spieler pro Team gegeneinander antreten, um Tore zu erzielen. Oder das Fierljeppen, auch als Pultstockspringen bekannt: In den Niederlanden und Belgien versuchen Menschen, mithilfe einer 8 bis 13 Meter langen Stange möglichst weit über Gräben und Kanäle zu springen.
Es gibt zudem spannende Kombinationen aus unterschiedlichen Disziplinen, etwa das Schachboxen, das Stöckelschuhrennen oder Extrembügeln – sei es auf einem Fahrrad, einem Surfbrett oder sogar unter Wasser.
Viele dieser „Sportarten“ entstehen vermutlich aus einer Wette, einer spontanen Bierlaune oder einfach aus Langeweile. Doch das spielt keine Rolle – Hauptsache, sie bereiten allen Beteiligten Freude.
Hinzu kommen Unternehmen wie Red Bull, die mit kreativen Ideen und professionellem Marketing entweder völlig neue Sportarten „erfinden“ oder bestehende Veranstaltungen auf ein völlig neues und attraktives Niveau heben.
Ein Beispiel dafür ist der Wings for Life World Run, der die Rückenmarkforschung unterstützt. Auch spektakuläre Fahrrad-Events wie Rampage und Crankworx oder die Popularisierung von Padel-Tennis zeigen, wie Sport durch innovative Konzepte neu belebt werden kann. Nicht alles davon findet in Europa statt, doch viele dieser Ideen haben ihren Ursprung hier.